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Theater Media Luna präsentiert

                                    

 Es kreist zurück die Jahrhundertuhr

 

Schauspiel:   Gisela Heine   Barbara Schmidt                                          
Regie:            Pino Capitani                                                         
Bühnenbild:  Giuseppe Ingala

 

Während einer Totenfeier, die mitten in der Nacht stattfindet, scheint die Zeit still zu stehen. Zwei Frauen stimmen ein Requiem an. Sie gedenken ihrer Familien­mitglieder, die während der sowjet­ischen Diktatur verschwunden sind. Diese irrealen Figuren leben nur eine Nacht lang.
Sind sie nächtliche Prophetinnen der Geschichte, Prophetinnen des Unglücks? In Erwartung des Tagesanbruchs beginnen sie eine Reise zurück in die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Vom Entstehen der sozialistisch-revolutionären Bewegungen über das Wechseln von Regierungen und Diktaturen, bis hin zum Krieg und den Schrecken einer bevorstehenden Atomkatastrophe.

Hier erhebt sich der angstvolle Schrei der Kassandra von Christa Wolf. Als Sinnbild und Mutter aller Kriege findet der Fall Trojas seinen Platz neben den Katastrophen des 20. Jahrhunderts, die die Menschheit

 

 

 

 

    

                              „Es kreist zurück die Jahrhundertuhr“

Ist das Ergebnis einer langen Auseinandersetzung uns das Erreichen eines Stils, dessen Ursprung in dem Körper, der Stimme und der Biologie des Schauspielers liegt, und darauf hinzielt, anders mit literarische Traditionen umzugehen und eine neue Art Theater zu machen.

 

 

 

 

 

Am Meer, wo die Wiege, das Vaterhaus stand.
Zerrissen ist längst dieses schützende Band,
Versperrt auch der Garten der Ort,
Wo Schatten mich suchen, mein Baumstumpf verdorrt
.
Will stehn, wo ich dreihundert Stunden schon stand,
Wo niemand, die Riegel zu öffnen, sich fand,
Weil selbst noch im Tod mich die Angst nicht verläßt
 
Vergeß das verhaßte Geknalle der Tür,
Das tierische Heulen der Alten vor mir.
Und fließen soll dann, wo ich unbewegt steh,
Von bronzenen Lidern, wie Tränen, der Schnee.               

Die Taube soll gurren, wo alles zersprang.
Und still ziehn die Schiffe die Newa entlang.

Dieses Leid läßt Berge niederkauern
Und zu fließen weigert sich der Fluß.
Aber hinter festen Riegeln lauern
Kerkerlöcher, angstgeschwärzte Mauern
Und das Warten bis zum Schluß.
Irgendwen mag frischer Wind umschmeicheln,
Irgendwen der Sonnenuntergang -                                   

Kennen´s nicht, sind überall die gleichen,
Hören nur der Schlösser übles Kreischen,
Der Soldatenstiefel dumpfen Klang.
Gingen, wie zur Messe aufgestanden,
Durch die menschenscheu gewordne Stadt,
Tote ohne Atem, die sich fanden
 wo sich Nebel wanden


 

 

 

DIE SAGE VOM GROSSEN KREBS

 

 

Es geht um – es geht um eine böse Mär

Vom Krebs im Mohriner See..

Ihn ketten zwei Jahrtausende schwer –

Und wär er frei,

Ging alles rückwärts und verquer,

rückwärts und verquer.

Denn kröche der krebs aus dem Morast,

Marschierte ein ganzes Herr,

Das würgt und mordet, hetzt und hasst

Ihm hinterher.

Im Krebsgang, rückwärts und verquer,

rückwärts und verquer..

Marschierte das ganze Rückwärtser-Heer.

Dann kreiste zurück die Jahrhundertuhr

Zur ewigen Mitternacht..

Und wenn die berauschte Kreatur

Vom Traum erwacht,

Geht alles rückwärts und verquer,

rückwärts und verquer

Wohin er kröche, folgt seiner Spur

Die Pest vom Mohriner See,

Und es regierte die Krebs-Diktatur

Und kommandiert:

Das Ganze rückwärts und verquer,

rückwärts und verquer

Und wir alle, alle hinterher

 

 

 

 

 

 

Und nun komm her, ich will dir etwas zeigen.Die große Hure, die Hure Babylon die da am Wasser sitz.Und du siehst ein Weib sitzen auf einem Schrlachfarbenen Tier. Das Weib ist voll Namen der Lästerung und hat 7 Haupter und 10 Hörner. Es ist bekleidet mit purpur und Scharlach und übergüldet mit Gold und edlen Steinen und Perlen und hat einen Goldenen Becher in der Hand. Und an ihrer Stirn ist geschrieben ein Name, ein Geheimnis: die grosse Babylon, die Mutter aller Greuel auf Erden. Das Weib hat vom Blut aller Heiligen getrunken. Das Weib ist trunken vom Blut der Heiligen. 

 

 

 

 

 

 

Schau, es beginnt zu dämmern, der Tag bricht an

 Ich will schreien, um wach zu werden, um zu wissen, dass alles wahr ist und es etwas über den Traum hinaus gibt.

 Diejenige, die ich einst war, hat keine Erinnerungen mehr an die, die ich jetzt bin. Ich habe zwischen den Schatten der Äste gelebt, und alles in meiner Seele ist ein zitterndes Blatt.

 Warum stirbt man?

 Vielleicht weil man nicht genug träumt.

Aber dann, wäre es nicht besser, sich in  Träume einzuwickeln und das Leben zu vergessen, damit der Tod uns vergisst?

 Nein, es lohnt sich nicht.

Wir haben bei den Stunden gewacht, die vergehen... wir sind nächtliche Propheten der Geschichte... Propheten des Unglücks.

 Ja, dennoch ist es nicht nötig Prophet zu sein um die Wirklichkeit so zu sehen  wie sie ist. Es genügt aus diesem Schlaf zu erwachen, der unser kleines Leben umhüllt, die Augen einfach für einen Augenblick zu öffnen, zu Schauen.

 Es ist endlich Tag, schauen wir ihn an.

 Tun wir unser Bestes, um nur den Tag, den reellen Tag zu erblicken.

 Er glänzt wie Gold auf silbernem Boden.

 Dort, hinter der Tür

 Jemand ist aufgewacht. Es gibt Menschen, die aufwachen.

An jener Tür wird jemand klopfen.

 Jemand wird hereinkommen und all das wird ein Ende finden.

 Alles ist im Begriff sich aufzulösen.

 Lass uns gehen.

 Ja, gehen wir.